„Gründen mit Mann, Kindern und neuen Glaubenssätzen”: Unsere Homestory
Anfang 2018 hast du mit deinem Mann Philipp die Naturkosmetikmarke „Elixr” gegründet. Wolltet ihr euch schon immer zusammen selbständig machen?
Ganz im Gegenteil! (lacht) Philipp hat seine Dissertation übers Gründen geschrieben und dabei kam heraus, dass Ehepaare alles tun sollten – außer gemeinsam ein Unternehmen aufzubauen! Zum Glück widerlegen wir die Wissenschaft erfolgreich, denn wir sind super happy, dass wir es trotzdem gemacht haben. Ich würde fast sogar so weit gehen, dass wir ein perfektes Gründerteam sind, da wir uns beide so gut ergänzen. Ich kann kreativ sein und mich im Marketing austoben und Philipp ist für die Finanzen und die Logistik zuständig – alles, worauf ich keine Lust hätte.
Aber leidet nicht das Privatleben darunter, wenn man mit dem Geschäftspartner einschläft und mit ihm aufwacht?
Klar, bei uns verschwimmt alles, das Privatleben und das Business. Aber man muss es mal so sehen: Wir haben dadurch sehr kurze Entscheidungswege, wenn man während des Frühstücks im Pyjama mal eben die neuen Produkte besprechen kann. (lacht)
Was habt ihr vor der Gründung gemacht und warum habt ihr beschlossen: Deutschland braucht eine neue Naturkosmetikmarke?
Wir waren zwei klassische BWL-er. Philipp hat in der Strategieberatung gearbeitet und als Professor an der Hochschule und ich war bei internationalen Brands im Marketing tätig. Natürlich gab es vor zwei Jahren schon super viele Naturkosmetikmarken auf dem Markt, aber irgendwie fehlte uns immer eine gewisse emotionale Komponente. Wir sind fest davon überzeugt, dass Schönheit ohne innere Balance gar nicht entstehen kann. Für uns ist das eine Einheit: Körper und Geist – das wurde in der Gründung dann auch schnell mit dem Zusatz „for beauty and mind” unser Untertitel. Über ein Jahr haben wir mit Heilpraktikern und Pharmazeuten an unserem ersten Produkt gefeilt: klassische Mundziehöle, die aber – und das unterscheidet uns wieder von anderen und bringt die emotionale Komponente mit rein – mit ätherischen Ölen versetzt sind. Über das limbische System gelangen diese ohne Umwege in unser Gehirn – und können so unsere Stimmung beeinflussen. Die Aromatherapie macht sich diese Wirkung übrigens auch zu Nutze.
Du hast schon gesagt, dass die Trennung zwischen Beruflichem und Privatem verschwimmt, wenn man als Ehepaar gründet. Durch Corona arbeitet ihr – wie ja viele momentan – komplett von zu Hause aus. Wie meistert ihr das?
Wenn alles nur zu Hause stattfindet, fällt uns manchmal echt die Decke auf den Kopf. Man kann fast nie abschalten. Außerdem hatte ja zeitweise auch die Kita zu und wir mussten mehrere Bälle in der Luft halten: zwei kleinen Kindern zu Hause gerecht werden und nebenbei das Business am Laufen halten. Was uns über die ganze Zeit heilig war: Am Wochenende in die Berge fahren und in die Weite schauen. Das entspannt mich total.
Wie strukturierst du deine Tage?
In den ersten Monaten konnte ich mich darauf verlassen, dass Carla bis 10.30 Uhr schläft, was natürlich echt crazy war. Alle wichtigen Termine habe ich mir darum auf 9 Uhr morgens gelegt und hatte bis dahin schon viel geschafft. Inzwischen wacht die kleine Maus leider früher auf. (lacht) Von Struktur kann daher leider keine Rede mehr sein. Wir schauen immer, was der Tag so bringt, aber das ist eine große Herausforderung: Struktur in einen nicht-strukturierbaren Tag zu bekommen. Wenn jemand Tipps hat: Bitte her damit!
Wenn du Videokonferenzen hast, hast du oft dein Baby auf dem Arm. Wie reagieren Geschäftspartner darauf?
Total cool, die freuen sich darüber! Das Problem liegt eher bei mir: Denn es ist mir wahnsinnig peinlich. Ich habe immer das Gefühl, dass ich mich nicht gut organisiere, mir zu viel rausnehme, nicht professionell genug bin und und und. Da kommen super viele Glaubenssätze hoch.
Woran liegt das?
Ich glaube, dass in mir noch altes Konzerndenken steckt, welches ich eigentlich nie annehmen wollte. Während ich noch fest angestellt war, war ich mit unserem Sohn schwanger. Und ich habe gemerkt, dass es werdende Mütter verdammt schwer haben. Natürlich konnte ich nicht mehr 100 Prozent geben, aber es wurde erwartet. Das wurde natürlich nicht so direkt ausgesprochen, aber ich habe es gespürt, was im Übrigen noch viel schlimmer ist, als es offen zu sagen. Obwohl ich mir ein Bein ausgerissen habe, wurde das in keiner Weise wertgeschätzt. Eher wurde der Fokus auf das Negative gelegt, wenn ich zum Beispiel mal einen Frauenarzttermin wahrnehmen musste. Dass ich dafür länger gearbeitet habe, spielte dann schon keine Rolle mehr. Ich glaube, dass gerade in Konzernen oftmals eben doch noch patriarchalische Strukturen vorherrschen. Meiner Meinung nach schadet es nicht nur den Frauen, sondern auch den Unternehmen selbst. Weil sie so unflexibel sind und es Müttern so schwer machen, lassen sie ein unglaubliches Potential brachliegen. Ich glaube, das ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit: Müttern die gleichen Karrierechancen zu ermöglichen und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sie sich entfalten können – trotz Kindern!
Inwiefern sind auch Frauen gefragt, das einzufordern?
Zu 100 Prozent! Aber ich glaube, die Veränderung fängt in unseren Köpfen an. Wie gesagt, ich sehe das ja an mir selbst: Ich habe immer das Gefühl, ich muss mich als Mutter besonders anstrengen, das geht mir nicht aus dem Kopf raus. Ständig denke ich, ich genüge nicht. Kümmere ich mich um das Business, habe ich ein schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber und wenn ich zu viele Termine habe, denke ich, dass die Kinder zu kurz kommen. Aber das ist MEIN Problem. Denn tief im Innern weiß ich, dass wir Frauen beides können und vor allem auch beides dürfen: Kinder haben UND Karriere machen. Wir müssen nur anfangen, dafür einzustehen – auch uns selbst gegenüber!
Danke für diesen tollen Einblick, liebe Jenny!
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